18. Feb. 2025

We listen (and we don’t judge) -Warum 2025 dem Podcast gehört

von Sophie Leubner

In den Kommentarspalten sozialer Medien wird gern und viel geurteilt. Persönlichen Content zu veröffentlichen und eigene Geschichten zu erzählen, kann so schnell zur Mutprobe werden. Der Trend „We listen and we don’t judge“ ist eine Reaktion darauf – ein Aufruf zum Zuhören, ohne sofortige Bewertung. Ein über 20 Jahre altes Medium kann das schon lange Intimität schaffen, ohne die unmittelbare Angreifbarkeit eines Social-Media-Posts oder TikTok-Videos: der Podcast. Doch wie lässt sich das Medium gezielt in der politischen Medienbildung einsetzen und welche neuen Potenziale eröffnen sich gerade jetzt? Ein Blick auf das pod:kiez-Projekt zeigt, wie dieses Format jungen Menschen eine Stimme gibt und neue Zugänge zu gesellschaftlichen Themen schafft.

pod:kiez – Stimmen. Statements. Stories

Das Projekt pod:kiez von mediale pfade, gefördert durch die Partnerschaften für Demokratie, setzt genau hier an: Es gibt jungen Menschen die Möglichkeit, mit Mikrofon und Kopfhörern Geschichten einzufangen, die sonst kaum erzählt werden. Dass es diese Lücken gibt, zeigte sich schon bei einer einfachen Google-Suche:

Mit dieser Erkenntnis begann die Arbeit. Die beiden Projekte fanden in Spandau und Hohenschönhausen in Zusammenarbeit mit Jugendfreizeiteinrichtungen statt. Jugendliche wurden ermutigt, die Geschichte der Vertragsarbeiter*innen und ihrer Nachkommen zu erforschen – Menschen, deren Lebenswege Deutschland geprägt haben, die aber selten Teil der öffentlichen Erzählung sind. In Workshops setzten sie sich mit historischen Hintergründen auseinander, sprachen mit Zeitzeug*innen und entwickelten eigene Podcast-Folgen. So entstanden authentische Erzählungen, die nicht nur Fakten vermitteln, sondern auch persönliche Perspektiven und Emotionen hörbar machen. Die Geschichten werden nicht aus Büchern nacherzählt – sie werden aus erster Hand erlebt, nachgefragt und für eine neue Generation festgehalten.

Mit Technik die Neugier wecken

„Ich packte den Podcast-Koffer aus, zeigte Kopfhörer und Mikros – und plötzlich war das Interesse da. Die Technik war der Türöffner.“ 

– Elona Beqiraj, Projektleitung pod:kiez

Doch wie gewinnt man Jugendliche für ein politisches Medienprojekt? Elona Beqiraj wusste, dass sie nicht mit langen Erklärungen starten konnte. Stattdessen setzte sie auf etwas Greifbares: Sie kam mit einem Podcast-Koffer in die Jugendtreffs – ausgestattet mit Mikrofonen, Kopfhörern und Aufnahmegeräten. Der Effekt war sofort spürbar: „Die Jugendlichen waren neugierig, wollten die Technik ausprobieren und hatten sofort Assoziationen – ‘Ist das nicht das, wo die Mädels sich bei TikTok aufnehmen?’“, erinnert sie sich.

Diese Begeisterung für das Equipment war der perfekte Türöffner. Bevor es um Inhalte ging, standen erst einmal spielerische Zugänge im Vordergrund: Das Mikro ausprobieren, die eigene Stimme aufnehmen und mit Effekten experimentieren. Erst danach folgte die inhaltliche Auseinandersetzung – und plötzlich waren die Jugendlichen nicht nur Zuhörende, sondern aktive Erzählende ihrer eigenen Geschichten.


Werkzeugkoffer: Wie zieht man ein Podcast-Projekt auf?

Was braucht es, um mit Jugendlichen einen Podcast zu produzieren? Die Herangehensweise bei pod:kiez beruhte auf drei zentralen Prinzipien:

  1. Erst die Technik, dann die Themen – Jugendliche durch spielerisches Erkunden der Geräte neugierig machen.
  2. Zuhören lernen durch eigene Erfahrungen – Jugendliche selbst Fragen entwickeln lassen.
  3. Schrittweise Beteiligung – Jede*r findet eine Rolle, sei es als Sprecher*in, Interviewer*in oder Cutter*in.

Methoden und Schritte

  • Technik als Einstieg nutzen
    Bevor es um Inhalte geht, lass die Teilnehmenden die Technik erkunden. Lass sie die Mikrofone und Kopfhörer ausprobieren – das nimmt Berührungsängste und macht neugierig auf mehr.
  • Eigene Fragen entwickeln
    Welche Erzählungen fehlen in ihrem Umfeld? Arbeitet gemeinsam in Gesprächsrunden heraus, welche Themen die Jugendlichen interessieren, und entwickelt daraus Interviewfragen.
  • Spurensuche & Recherche anregen
    Motiviere die Teilnehmenden, nach ungehörten Geschichten in ihrem Umfeld zu suchen. Wer kann spannende Einblicke geben? Oft sind es Menschen aus der eigenen Familie oder Nachbarschaft.
  • Netzwerke aufbauen & Vertrauen schaffen
    Bevor du mit den Jugendlichen arbeitest, knüpfe Kontakte zu Jugendtreffs und Multiplikator*innen. Persönliche Empfehlungen helfen, Türen zu öffnen und Vertrauen aufzubauen.
  • Interviewvorbereitung & Gesprächsführung üben
    Vermittle, wie man gute Fragen stellt, aktiv zuhört und empathisch auf Antworten eingeht. Rollenspiele können helfen, Sicherheit für die echten Interviews zu gewinnen.
  • Aufnahme & Produktion begleiten
    Lass die Teilnehmenden eigenständig Interviews führen und die Aufnahmen mit einfacher Audiosoftware schneiden. Unterstütze sie dabei, ihre Folgen professionell aufzubereiten.
  • Podcast als Empowerment nutzen
    Ermutige die Jugendlichen, ihre Perspektiven zu teilen. Mache ihnen klar: Ihre Geschichten sind wertvoll und verdienen Gehör.

KI trifft Podcast:
Automatisierung und neue Möglichkeiten

KI erleichtert die Podcast-Produktion – auch für Bildungsprojekte. Beim pod:kiez-Projekt kam bereits KI-gestützte Transkription zum Einsatz, um Interviews effizient auszuwerten. Tools wie Castmagic wandeln Sprache in Text um, sodass Inhalte schneller aufbereitet oder barrierearme Versionen angeboten werden können, indem sie automatische Untertitel und Übersetzungen ermöglichen.
Auch in der Postproduktion spart KI Zeit: Programme wie Adobe Podcast Enhance entfernen Störgeräusche und helfen, Aufnahmen intuitiv zu schneiden – ideal für Teilnehmende ohne Vorerfahrung. 

Praxistipp: Lass die Teilnehmenden selbst ausprobieren, wie KI ein Interview transkribiert oder Störgeräusche entfernt. So werden sie nicht nur Produzent*innen, sondern auch kritische Mediennutzende.


2025 gehört dem Podcast

Bereits 2005 starteten in Deutschland die ersten Podcasts – trotzdem sollten Fachkräfte der politischen Medienbildung gerade jetzt nochmal einen genaueren Blick darauf werfen. Podcasts haben sich als Form des Storytellings etabliert, die in einer digitalen Welt – geprägt von Polarisierung und Schnelllebigkeit – entschleunigen kann, Nähe schafft und Reflexion statt schneller Urteile ermöglicht. Gleichzeitig sind, auch dank KI, die technischen Hürden für hochwertige Produktionen so niedrig wie nie.
Die Erfahrungen aus dem pod:kiez-Projekt zeigen: Podcasting gibt jungen Menschen eine Stimme, verknüpft persönliche Geschichten mit gesellschaftlichen Themen und fördert Medienkompetenz. Überzeugende Argumente, 2025 zum Jahr des Podcasts zu machen!

Du willst noch tiefer in die medienpädagogische Arbeit mit Podcasts eintauchen? In diesem Artikel erfährst du, wie Podcasts als Methode für Wissenstransfer eingesetzt werden können – mit praktischen Tipps für die Umsetzung!

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