Das Jugend-hackt-Jahr 2021
von Laura Hähnleinvon Philip Steffan
Um gleich den ersten Satz aus unserem vorherigen Jahresrückblick ein zweites Mal aufzugreifen: Ja, wir sind froh, dass auch das Jahr 2021 hinter uns liegt. Das Jahr zwei der Pandemie war nicht weniger anstrengend, aber immerhin anders. Optimismus dank Impfstoffen und eine gewisse ernüchterte Gewöhnung an die Situation auf der einen Seite, eine immer weiter gehende Unsicherheit ohne absehbares Ende auf der anderen Seite. Es ist, wie es ist.
Auf der guten Seite immerhin: Die Isolation ist weniger geworden: Das Team in Berlin hat sich im vergangenen Jahr oft sehen und das Risiko durch Impfung, Masken und Tests managen können. Vor allem im Sommer und Frühherbst waren zahlreiche Lab-Termine und Events in Präsenz möglich. Das gibt uns Hoffnung für 2022.
Genau in diesem Sinne hatten wir auch unser Jahresmotto 2021 gestaltet: Was kommt da»nach? Wir wollten damit gemeinsam mit den jugendlichen Teilnehmer*innen überlegen, was für gesellschaftliche Veränderungen die Pandemie mit sich bringen wird. Aufgegriffen haben wir das Motto in vielen Keynotes auf den Events.
Events
Gemeinsam mit unseren tollen Teams vor Ort fanden 2021 sechs Wochenend-Events statt. Im Mai, Juni und Juli gingen Frankfurt, Köln und Hamburg in die nächste Runde, allesamt als reine Online-Veranstaltungen. Anstelle auf reine Videocalls zu setzen – wie noch im Jahr 2020 – nutzen wir dafür unsere brandneue Alpaka-World, einen virtuellen Ort für die Jugend hackt-Community.
Die Alpaka-World wurde von der rC3-World des Online-Congress des CCC Ende 2020 inspiriert, einer im Browser laufenden Umgebung im Stile eines alten 2D-Computerspiels, in der man sich mit einem Avatar in verschiedenen Räumen bewegen und mit anderen Menschen kommunizieren kann. Dank einer Förderung konnten wir unsere eigene Umgebung für Jugend hackt starten und für die Online-Events nutzen.
Wie bei Präsenz-Events gestaltete jedes Städteteam dabei den eigenen Raum mit großer Kreativität: Das Frankfurter Event fand auf einer virtuellen Inselgruppe statt, in Köln trafen sich alle Teilnehmer*innen auf einem Raumschiff und für Hamburg gab es einen 1:1-Pixelnachbau der echten Location, dem Betahaus. Für kleinere Treffen wie Online-Labs gibt es in der Alpaka-World auch noch eine kleine Insel und ein gemütliches Kaminzimmer mit Arbeitstischen.
Ein vollwertiger Ersatz für eine persönliche Begegnung ist auch die Alpaka-World nicht, aber eine deutliche Verbesserung gegenüber Videokonferenzen: Sich in einem Raum bewegen und wechselnde Gespräche in spontanen Kleingruppen führen zu können, gibt ein stärkeres Gefühl des Dabeiseins.
Im Oktober konnten wir nach über 500 Tagen Pause endlich wieder Jugendliche und Mentor*innen auf drei Präsenz-Events begrüßen, in Berlin, Mannheim und München.
Es ist nicht zu unterschätzen, was das für ein Programm wie Jugend hackt, bei dem die persönliche Begegnung so zentral ist, bedeutet. Wir sind sehr glücklich, dass sich die aufwändig vorbereiteten Hygienekonzepte für die Events ausgezahlt haben und alle gesund geblieben sind.
Insgesamt haben die Teilnehmer*innen auf den sechs Events 41 Projekte erdacht und entwickelt. Viele davon suchen Lösungen für Probleme, die beim digitalen Lernen oder Videocalls auftreten oder wollen Menschen übers Netz zusammenbringen, setzen sich also konkret mit aktuellen Herausforderungen in der Pandemie auseinander. Alle Projektvorstellungen kann man sich hier komfortabel ansehen.
Das siebte Event hätte im Dezember in Dresden stattfinden sollen – ein kleines Revival, denn zuletzt gab es Jugend hackt dort 2016. Wegen der hohen Inzidenzen mussten wir diese Veranstaltung leider absagen und ins Jahr 2022 verschieben. Als kleinen Ersatz lud das Dresdner Team kurz vor den Ferien noch zur Weihnachtshackerei, einem gemeinsamen Nachmittag in der Alpaka-World.
Labs
Es war ein großes Jahr für die Jugend hackt Labs – aus fünf wurden 15! Im März startete unsere Ausschreibung für die neuen Standorte. Das Interesse war wesentlich größer als unsere Kapazitäten, was uns aber natürlich noch einmal den großen Bedarf an entsprechenden Angeboten für Jugendliche verdeutlicht hat.
Im Mai und Juni konnten wir nach den Auswahlgesprächen neun neue Standorte verkünden: Dresden, Erfurt, Freiberg, Görlitz, Isenbüttel, Jena, Mannheim, Ravensburg und Traunstein. Dadurch wächst unser spannendes und vielfältiges Netzwerk aus Orten und Trägern – Fablabs, Hochschulen, Museen, Vereinen, Forschungsinstituten und städtischer Jugendarbeit – die ab dem Sommer ein regelmäßiges lokales Angebot starten. Die drei Labs in Sachsen kollaborieren übrigens nicht nur eng miteinander, sondern haben sich besonders dem Thema KI (Künstliche Intelligenz) verschrieben.
Die Labs sind natürlich mehr als Standorte auf einer Landkarte: Unser Netzwerk von Menschen, die aktiv Jugend hackt veranstalten und auch unsere Community von Mentor*innen ist in diesem Jahr so schnell gewachsen wie selten. Das bedeutet für uns viel mehr Kommunikation, aber vor allem auch viel mehr neue Ideen, was im Rahmen von Jugend hackt machbar ist.
Da fehlt doch noch eins? Genau: Das Lab Berlin, quasi unser Heimathafen, in dem wir selbst die Angebote für Jugendliche schaffen und Konzepte aus dem Lab-Netzwerk entwickeln und erproben. Ab April fanden zahlreiche Workshops und Vorträge im xHain Hack+Makespace statt, mit dem wir seit Jahren für das Berliner Event verbunden sind.
Alle neuen Labs eint: Es war nicht leicht, mitten in der Pandemie ein neues vor-Ort-Angebot für Jugendliche zu schaffen. Zeitweilig fanden die Angebote online statt, in der Alpaka-World und mit anderen Tools. Immer wenn es die aktuellen Corona-Regeln und die Vernunft erlaubten, gab es jedoch viele Präsenzangebote.
Austausch
Internationaler Jugendaustausch und globale Pandemie? Kein Dreamteam, daher kam die ursprünglich für 2020 geplante Jugendkonferenz dareCon! auch dieses Jahr nicht vor Ort in Bangkok zustande. Stattdessen kamen die Jugendlichen aus zehn Ländern aus dem asiatischen und Pazifikraum sowie aus Deutschland im April online zusammen.
Endlich war auch die Zeit gekommen, die Frage „Wie stellst du dir den Jugendaustausch der Zukunft vor?”, die uns seit 2016 auf den Reisen mit dem Goethe-Institut begleitet, praktisch auszuprobieren: In der Alpaka-World bauten wir gemeinsam an digitalen Begegnungsorten. Als weiteren deutschen Beitrag hatten wir die Band Systemabsturz dabei, die live aus Berlin ihr vermutlich erstes internationales Online-Konzert spielte.
Community Talks
2020 haben wir angefangen, mit tollen Menschen aus dem Umfeld und der Community von Jugend hackt Gespräche über Technik und Gesellschaft zu führen und diese live zu streamen. Das haben wir 2021 nahtlos fortgesetzt und sechs weitere spannende Sendungen produziert: Über unseren Japan-Austausch 2019, das erste Remote-Event nach Pandemiebeginn, das Lernspiel Oh my Git!, das Kollektiv zerforschung, den Facebook-Ausfall im Oktober und als Jahresrückblick im Rahmen des CCC-Congresses rC3:
Weitere spannende Vorträge, die 2021 entstanden sind und aufgezeichnet wurden: Zwei Lab-Talks mit Gästen von DB Systel, einmal über Offene Daten und autonomes Fahren. Außerdem hat Evein Obulor zur Eröffnung von Jugend hackt Rhein-Main eine tolle Keynote zum Thema Rassismus gehalten. Anlässlich des Girls’ Day im April sprachen Philip und Lisa vom Lab Heilbronn über Gleichberechtigung. Im Lab Ulm stellte der Game-Designer Fjo seine Arbeit vor, außerdem ging es um das Wohnen in der Zukunft.
Außerdem gab es auf den Live-Events auch endlich wieder Lightning Talks, also spannende Kurzvorträge: 13 Mal kompaktes Wissen über Datenschutz, Betriebssysteme und Interfaces stehen neu in unserem Archiv.
Diversity/Anti-Bias
Uns ist klar: Diversity ist viel mehr als nur die Frage, wie viele Mädchen bei einer Coding-Initiative mitmachen. 2021 haben wir uns viel mit unserem Anspruch beschäftigt, hier besser zu werden, nach außen sichtbar aber auch bei uns im Team.
Intern lassen wir uns dabei bei diesem Prozess von Fachleuten begleiten und sprechen jetzt nach ersten Aha-Erlebnissen auch lieber von Anti-Bias statt von Diversity, weil wir auch den kritischen Blick auf uns selber richten. Diese Fortbildungen und Reflektionen gehen auch im neuen Jahr weiter. Wir wollen die Ergebnisse auch hier im Blog veröffentlichen.
Sichtbarer war, dass wir im Frühling unseren Code of Conduct komplett neu formuliert haben. Diese wichtigen Verhaltensregeln gab es bei Jugend hackt schon immer, es war aber Zeit, sie einmal zu konkretisieren und aktualisieren. Daran waren Menschen aus allen Ecken der Jugend hackt Community beteiligt, weil diese Regeln alle betreffen. Gemeinsam mit Teilnehmer*innen, Mentor*innen und Organisator*innen aus unserem Netzwerk haben wir viel diskutiert und als Ergebnis einen CoC formuliert, der weniger hehre Wünsche und mehr konkrete Grenzen benennt und zusätzliche Erklärungen für alle verlinkt, die sich noch nicht mit allen Begriffen auskennen.
Das Berliner Team
Im vergangenen Jahr gab es viele neue Gesichter bei Jugend hackt, aber auch einige Abschiede. Im Frühjahr gab es einen großen Wechsel bei der Programmleitung: Daniel, der Jugend hackt 2013 gemeinsam mit Maria ins Leben gerufen hat, zog sich nach acht Jahren zurück, dafür konnten wir ganz neu Ben als Programmleiter begrüßen. Daniels Abschieds-Blogpost würdigt übrigens die vielen Facetten unseres Designs – lesenswert.
Zur gleichen Zeit ist auch Laura ins Team gekommen und hat das Projektmanagement der Labs von Julia übernommen und ist gleich mit den Vorbereitungen zu unserem Berliner Lab eingestiegen. Eine ganz neue Rolle im Team übernimmt seit März auch Ivan, der uns in der Finanzadministration unterstützt.
Philip, Nils, Mechthild, Ivan, Nina, Robert, Laura, Ben (v.l.n.r), Benjamin, Anne (klein)
In der zweiten Jahreshälfte konnten wir mit Benjamin nach einer Pause wieder einen Bundesfreiwilligendienstleistenden bei Jugend hackt begrüßen. Ebenfalls neu im Team ist Nils, der das Pädagogik- und Eventteam verstärkt. Im Oktober kam schließlich Anne zu uns, die seitdem unsere Ansprechpartnerin für Spenden, Sponsoring und Fundraising ist. In diesem Zuge hat sich dann auch Sonja, die diesen Bereich bisher verantwortet hatte, neuen Aufgaben in der OKF zugewandt.
Netzwerktreffen und Ausblick
Das Jahr endete organisatorisch kurz vor Weihnachten mit unserem Netzwerktreffen, dem großen Meeting mit allen, die Jugend hackt in ihrer Stadt organisieren, ob als Event oder Lab. Dank der vielen neuen Jugend hackt Labs wurde das eine ziemlich große Runde, zu der wir zusätzlich noch einige unserer aktiven Mentor*innen eingeladen haben – über 45 Menschen insgesamt.
Symbolbild für das Onlinetreffen – wir haben vergessen, ein Gruppenfoto zu machen.
Die Planungen, die wir als Gesamt-Team hinter Jugend hackt auf diesem Treffen angestoßen haben, werden in den kommenden Wochen nach und nach sichtbar werden: Die Termine für die diesjährigen Events, die Ausschreibung für weitere Labs und natürlich auch ein neues Jahresmotto.
Danke
Wie immer musste einiges zusammenkommen, damit Jugend hackt immer weitermachen kann. Wir danken daher ganz herzlich unseren Mentor*innen für ihre ungezählten Stunden, die sie für die gute Sache einbringen. Danke an alle Organisator*innen, Referent*innen, Helfer*innen, Administrator*innen und alle, die beigetragen haben. Danke an alle aus der Alpakaherde, die sich bei Talks, Brainstormings und in unserer Online-Community eingebracht haben.
Danke auch an alle Spender*innen, Fördermitglieder und Sponsoren, die Jugend hackt finanziell ermöglichen. Herzlichen Dank an die Deutsche Bahn Stiftung für die Förderung der Jugend hackt Labs, und an die Kulturstiftung des Bundes für die Förderung der Alpaka-World. Herzlichen Dank auch an das Sächsische Staatsministerium für Kultus für die Förderung im Rahmen des Landtagshaushaltes.