Mobile Gaming – Medienpädagogik Praxishandbuch Artikel
von Daniel SeitzDieser Artikel ist im Medienpädagogik – Praxishandbuch erschienen (kopaed 2012), ausserdem unter CC-BY-SA im Medienpädagogik Praxisblog und hier verfügbar und lädt zum nachmachen, weiterentwickeln und weiterverbreiten ein:
Im Folgenden wird ein erweitertes Konzept eines mobilen Spiels beschrieben, das Anleihen im Geocaching hat, aber wesentlich multimedialer und interaktiver arbeitet und sich dabei für viele Themen und Zielgruppen anpassen lässt.
Vorbereitung:
An erster Stelle stehen Thema und Ziele des Angebots.
Die Vorbereitung auf das ortsbasierte Angebot kann zu einem großen Teil vom dienstlichen PC erfolgen. Die ausgewählten Orte werden recherchiert, festgelegt und das Spielfeld wird definiert. Dies kann per Recherche in Wikipedia geschehen, die Orte selbst können per google maps/earth und, inzwischen sehr komfortabel, auch per google StreetView erforscht werden. Per Wikipedia und weiteren Quellen werden Fakten zu den Orten zusammen getragen, die vermittelt werden sollen.
Sind alle Informationen und Orte recherchiert, könnten diese noch zu einer Rahmenhandlung oder einem Spiel verarbeitet werden. So könnten im Beispiel alle Schülerteams als Mitarbeiter eines Abgeordneten die Aufgabe bekommen, alle Informationen für eine wichtige Bundestagsabstimmung zu sammeln, die in drei Stunden beginnt. Das gibt dem Spiel einen zeitlichen und inhaltlichen Rahmen, die Teams gehen in einen spielerischen Wettkampf miteinander und steigern somit sowohl die Motivation als auch häufig die Ergebnisse.
Jetzt müssen sie an jeden Ort, und dort recherchieren, welche spezifischen Eigenschaften des Ortes sie einbeziehen können.
Dies können Informationstafeln, Statuen mit Geburtszahlen bzw. anderen zeit- geschichtlichen Fakten sein, oder gar ein Museum, welches Informationen anbietet, die im Spiel vermittelt werden möchten. Auch Orte zum Verstecken der Aufgaben sind wichtig.1 Finden sie dort Informationstafeln, Statuen mit Geburtszahlen oder anderen zeitgeschichtlichen Fakten oder ein Museum, das Informationen aufbereitet hat, die sie vermitteln möchten. Vielleicht bieten sich auch Versteckmöglichkeiten an. Vom relevanten Punkt wird dann die exakte Koordinate gemessen (wie das geht ist gerätespezifisch und im Handbuch erklärt, natürlich auch mit Smartphone mit Apps wie GPS Averaging möglich). Es empfiehlt sich immer auch von jedem Ort Fotos zu machen, so lassen sich die Touren am PC besser planen.
Sind alle Orte vermessen, Informationen gesammelt und Versteckideen gefunden, geht es an die Erstellung der sogenannten Roadbooks: Hier ist zu überlegen, in wie vielen Teams die Klasse starten soll. Erfahrungsgemäß sollten nicht mehr als fünf Personen in einer Gruppe (gleichzeitig) starten, sonst fallen Einzelne bei der Aktivität raus und beteiligen sich nicht mehr an den Gruppenprozessen. Alle Gruppen bekommen später ein Roadbook, ausgedruckt und laminiert, das eine Karte mit dem eingerahmten Spielfeld enthält – anschließend wird als Regel definiert, dass dieses nicht verlassen werden darf, so wird der Bewegungsraum der Gruppen eingegrenzt ist.2
Im Weiteren können in einem Fließtext die Aufgaben formuliert, die Koordinaten angegeben (in der Karte könnten auch Marker sein, ohne wird es schwieriger) und die zu erreichenden Punkte pro Aufgabe definiert werden. Außerdem sollte ein Zielpunkt definiert werden, an dem alle zu einer bestimmten Zeit sein müssen (zu spät kommen wird ggf. mit Punktabzug bestraft). Noch ein paar Regeln (zeitliche und räumliche Begrenzung, Notfalltelefonnummer, Hinweise für Notfälle, Regeln im Strassenverkehr etc.) mit auf das Roadbook und das Spiel kann beginnen – idealerweise sollte vor dem offiziellen Spieltermin noch eine kleine Kontrollgruppe alles überprüfen – stimmen die Koordinaten, können die Rätsel gelöst und die Verstecke gefunden werden etc. Am Morgen des Spiels werden erst alle Verstecke ausgelegt.
Nach einer guten Anmoderation, die nochmal die wichtigsten Verhaltens- und Spielregeln aufgreift, und einer Einführung in die Technik, kann das Spiel beginnen. Alle Teams schwärmen aus, die Spielleiterinnen und Spielleiter begleiten entweder alle Teams oder sind im Spielfeld unterwegs, geben ggf. Hinweise und stehen beratend zur Seite. Beim gemeinsamen Treffpunkt wird die Geschichte aufgelöst und die Aktion entsprechend belohnt („Ihr habt euren Abgeordneten mit allen relevanten Informationen versorgt – dankbar lädt er euch zum Essen ein“).
1 Hier haben Geocaching-Erfahrene Vorteile, denn sie haben schon unzählige Versteckmöglichkeiten gesehen: Mit Magnet angeheftete Filmdosen unter einem Denkmal, in einem Deckel eines Zaunpfosten hängende Behälter, unter einem Stein versteckte Tupperdose usw. – es gibt schier unendliche Möglichkeiten, Dinge im öffentlichen Raum zu verstecken. Die beste Anregung bekommt man, wenn man selbst geocachen geht (kostenlos auf www.geocaching.com anmelden, Video-Tutorials ansehen und losstarten). So ist es bei unserem Beispiel mög- lich, weitere Informationen oder auch Gegenstände für die Teams zu verstecken.
2 Am einfachsten einen Screenshot von openstreetmap.de machen (google maps Karten sind urheberrechtlich geschützt, openstreetmap erlaubt hingegen die Nutzung durch Creative-Commons-Lizenz) und mit einem Grafikprogramm die äusseren Grenzen einzeichnen, oder natürlich direkt in z.B. Garmin BaseCamp.
Zielgruppe
- Kinder
- Jugendliche
- Fachkäfte
Eingesetzte Medien
- Mobile
- Web
Ziele
- Reflexion
- Exploration
- Artikulation
Varianten, Erweiterungen, Modulationen
Das Projekt ist sehr variabel, sowohl was Thema als auch Zielgruppe angeht. Die Spielzeit kann zwischen einer und acht oder mehr Stunden betragen. Die Spielstationen können auch noch deutlich aufgewertet werden, indem einzelne Stationen personell besetzt und mit multimedialen Aufgaben bestückt werden, etwa „dreht einen kurzen Handyclip zum Thema mit den vorhandenen Requisiten, die euch vor Ort gegeben werden“. Oder „Vor Ort findet ihr einen Ansprechpartner, der euch alle benötigten Materialien ausgibt, um die Qualität des Wassers zu messen. Tragt diese unter www.bne-website.de ein und erforscht die nächste Station bei den ausgehändigten Koordinaten“. Genauso können Audio-Aufgaben, QR-Codes, Foto-Aufgaben, Foto-Story (etwa als Tumble-Log) und viele Methoden mehr eingesetzt werden. Natürlich können auch Schülerinnen und Schüler selbst in die Erstellung eines mobilen Spiels mit einbezogen werden. So kann die eine Klasse/Gruppe für eine andere ein Spiel erstellen oder die Gruppe wird zweigeteilt, bereitet an einem Tag das Spiel vor und spielt am nächsten Tag das Spiel der jeweils anderen Gruppe.
Tipps & Tricks
Die Spieldynamik kann sehr unterschiedlich gestaltet werden. Im einfachsten Fall nummeriert man die Stationen zu einem Rundweg, das funktioniert gut, um thematisch aufeinander aufzubauen, führt aber bei mehreren Gruppen zu zeitlichen Problemen. Alle Stationen können aber auch unnummeriert ausgegeben werden, dann zählt zum Beispiel, welche Gruppe die Station als erste erreicht (kann durch versteckte durchnummerierte Münzen, durch Codes oder Antwort an eine Nummer schicken, sobald die Station erreicht wurde, überprüft werden). Oder die Stationen werden unterschiedlich bepunktet, wer in der vorgegeben Zeit die meisten Punkte sammelt, gewinnt. Dann ist es eher ein strategisches Vorgehen, vor allem dann, wenn den Gruppen klar wird, das in der vorgegeben Zeit gar nicht alle Stationen geschafft werden können. Das sind alles Parameter an denen die Spieldynamik verändert und somit unterschiedliche Ziele und Inhalte verfolgt werden können.
Schwierigkeiten
Mobile Spiele erfordern ein Erproben und vor allem ein intensives Testen vor dem eigentlichen Angebot. Oft können kleine Fehler in der Vorbereitung (Zahlendreher bei Koordinaten) zu einem Fehlschlagen des gesamten Spieles führen. Deswegen machen Absicherungen wie Begrenzen des Spielfelds, Notrufnummer und Zwischenstationen mit Kontaktaufnahme zum Spielleiter bzw. zur Spielleiterin, um Fortschritte zu überprüfen, Sinn. Auch kann es angesagt sein, alle Gruppen durch Teamerinnen und Teamer zu begleiten, um Fehler oder auch schwierige Situationen, etwa im Straßenverkehr (insbesondere bei Kindern wichtig) auszuschließen. Akkulaufzeiten können ein Problem sein, hier helfen Ersatzakkus. Zudem könnte ein starkes Fixieren auf die begleitende Technik Probleme verursachen. Hierbei kann es helfen, Aufgaben zu definieren, die nur in der Gruppe im Dialog gelöst werden können oder Aufmerksamkeit auf die umgebende Natur bzw. urbane Umgebung fordert.
Feedback
Kinder freuen sich sehr häufig über Angebote im Freien. Jugendliche heben dann eher die eingesetzte Handy-ähnliche Technik bzw. die spannenden Aufgaben und den Wettbewerb hervor. Sehr häufig wird auch das veränderte Verhältnis zu Lehrerinnen, Lehrern, Pädagoginnen und Pädagogen benannt, sie schätzen es, dass sie selbst tun können, nicht von jemand abhängig sind, selbst Wege finden und dabei auch Fehler machen können. Auch das veränderte Verhalten im öffentlichen Raum, das Suchen nach Gegenständen, während man beobachtet werden könn- te, wird oft als spannend und neu wahrgenommen.
Auch die andere Art zu lernen, der Zwang zur korrekten Lösung, da die Gruppe sonst nicht weiterkommen kann, oder das Lernen in der Gruppe, die sich häufig sehr gut ergänzt, wird immer wieder hervorgehoben.
Bei der eingesetzten Technik bleiben häufig Wünsche offen, sind die Geräte ältere, wird das negativ benannt, sind es sehr Neue, würden viele diese gerne mitnehmen.
Checkliste
- Es ist sehr leicht, selbst mobile Spiele umzusetzen. Sie können somit sowohl von Beginnern als auch von Fortgeschrittenen realisiert werden, deswegen können die Vorraussetzungen stark variieren.
- Raum: Outdoor (GPS-Empfang!), urbane wie Spielfelder in der Natur möglich
- Je nach Technikausstattung und Personaleinsatz vier bis 100+ Spieler
- Vorkenntnisse: Verständnis von GPS, Koordinaten, rudimentären Spielkonzepten/Game-Design vorteilhaft
- Hardware: GPS-Geräte (Einstiegsgeräte ab 60€), Vorteil: robust, outdoortauglich, günstig und/oder Smartphones, Vorteil: höhere Interaktivität, mehr Möglichkeiten, weniger Papier, Nachteil: Netzabdeckung muss geprüft und stabil sein, nicht vollständig outdoor-kompatibel (Spritzwasser, Regen etc.), Anschaffungskosten (können bei www.edunauten.net geliehen werden)
- eventuell Digitalkameras, Audio-Recorder, Videokameras
Links & Material
www.edunauten.netist ein Portal, das den Einstieg zum mobilen Lernen erleichtern will: Informationen, eine bundesweite Karte, ein Geräte-Verleih und Beratung
www.medialepfade.de beschäftigt sich seit vielem Jahren mit dem Thema, bloggt regelmäßig und erstellt Materialien zum Einstieg