Minecraft macht Medienkompetenz – vom Dönerpreis zur Datendemokratie
von Sophie Leubner
Minecraft, Mario Kart und 3D-Drucker – das aktuelle Ferienprogramm des Medienkompetenzzentrums Lichtenberg klingt auf den ersten Blick einfach nach Freizeitspaß. Aber unter der Oberfläche steckt durchdachte, politisch motivierte Medienbildung: erst mit Gaming Interesse wecken, dann Daten visualisieren und nebenbei soziale Fragen verhandeln.
Ein Gespräch über interessenbasierte Medienpädagogik (inklusive drei konkreter Beispiel-Methoden) mit Denise Bischof und Nils Sommer vom MeKo Lichtenberg.
„Die bauen hier 4000 Blöcke hohe Döner!“
Wie holt man Jugendliche für politische Medienbildung ab? Ganz einfach, sagt Nils: „Man fängt mit dem an, was sie sowieso interessiert.“ Und das heißt derzeit im Meko Lichtenberg (und eigentlich überall sonst): Minecraft. Dort entstehen aus Blöcken nicht einfach Burgen, sondern Datenvisualisierungen – etwa zum Thema ‚Preisentwicklung von Dönern‘. Nils: „Ein Block ist ein Cent. So wird sichtbar, wie viel teurer der Döner geworden ist.“
Denise und Nils sind nicht nur Medienpädagog*innen, sondern selbst leidenschaftliche Gamer*innen. Und das ist ist bei der Erarbeitung von interessenbasierten Methoden mehr als hilfreich.
„Wenn du nicht weißt, wie Minecraft funktioniert, kannst du es auch nicht sinnvoll für Bildungszwecke einsetzen.“
Nils
Ihre Methoden entstehen direkt aus der Lebenswelt der Jugendlichen. „Wir starten oft mit Popkultur, Games… oder Snacks. Snacks kommen immer gut an. Und dann schauen wir, wie wir daraus Lernprozesse machen können“, erzählt Denise.
Methode 1: Datenvisualisierung mit Minecraft
Ziel: Datenkompetenz, Mediengestaltung, kritisches Denken
Was nach reinem Gaming-Spaß aussieht, ist auch ein datengestütztes Kreativlabor: Die Jugendlichen setzen sich mit gesellschaftlich relevanten Themen auseinander – wie Inflation, Schule oder Umwelt – und recherchieren dazu eigene Daten. Diese übersetzen sie dann mit viel Fantasie in Minecraft-Bauten. Wie beispielsweise beim erwähnten Dönerpreis-Turm, bei dem ein Block für einen Cent steht. Denise: „ Mit einer VR-Brille können die Ergebnisse sogar räumlich erlebt werden – das macht es noch eindrücklicher.“ Die Motivation der Teilnehmenden ist dabei enorm: „Manchmal müssen wir sie regelrecht vom Rechner zerren.“ Die Methode ist niedrigschwellig, motivierend – und ein echter Türöffner für datenbasiertes Arbeiten.

Material: Minecraft (PC), Recherchematerial, ggf. VR-Brille
Methode 2: Snack-Tierlist für Datenlogik
Ziel: Einführung in Datenbegriffe und Visualisierungslogik
Diese Methode beginnt mit einem zeitlosen Thema: Essen! Die Jugendlichen erstellen eine Tier-List, ein Ranking ihrer Lieblingssnacks. Dabei diskutieren sie Begriffe wie „Ausreißer“ oder „Vergleichbarkeit“ und setzen sich ganz nebenbei mit grundlegenden Datenbegriffen auseinander. Die Bewertung der Snacks erfolgt durch demokratisches Wählen und dem Finden von Kompromissen, und bringt hier gleich noch ein bisschen politische Auseinandersetzung mit.
Material: Papiervorlage für Tierlists, Stifte, Snacks
Was ist eine Tier List?
Der Begriff „Tier List“ stammt aus der Gaming-Community und beschreibt ein Ranking-System, bei dem Elemente (z. B. Spielfiguren, Snacks, Serienfiguren) in „Tiers“ – also Kategorien – eingeordnet werden.
Typische Stufen reichen von S (superior) über A, B, C bis D – je nach Beliebtheit, Stärke oder persönlicher Einschätzung.
Beispiel
S-Tier: Lieblingssnacks, die immer gehen
A-Tier: sehr gut, aber nicht ganz top
D-Tier: meh
In der Medienbildung eignet sich das Format hervorragend, um spielerisch über Bewertungskriterien, Datenvergleiche und subjektive Wahrnehmung zu sprechen – und dabei ganz nebenbei statistische Begriffe wie „Ausreißer“ oder „Skalierung“ einzuführen. Die Größe der Tierlist ist hierbei zu begrenzen, sodass eine Wahl getroffen werden muss – und bei jüngeren Teilnehmer*innen kann man auf eine ganz einfache, nummerierte Rangliste zurückgreifen.
Methode 3: Mario Kart – Wahrscheinlichkeiten erleben
Ziel: Einführung in Statistik, Wahrscheinlichkeiten, Datenaufnahme
In dieser Methode verwandeln sich die beliebten Mario Kart-Rennen in Datenexperimente. Eine Person spielt, die andere zählt mit: Welche Items kommen wann? Gibt es Muster?
„Wenn du hinten liegst, bekommst du die besseren Items. Das ist ein eingebautes Gerechtigkeitssystem.“
Denise
Durch diese Datenaufnahme lernen die Jugendlichen etwas über Wahrscheinlichkeiten, Balancing und wie Spiele Fairness erzeugen. Die Erkenntnisse können gemeinsam ausgewertet und diskutiert werden.
Material: Mario Kart (Konsole), Zählblätter oder digitale Tools
Fazit: Interessen ernst nehmen – Bildungsziele folgen lassen
Was das Ferienprogramm des Meko Lichtenberg zeigt: Medienpädagogik funktioniert dann am besten, wenn sie nicht nur versucht, innerhalb der Workshops und Methoden die Aufmerksamkeit der Jugendlichen zu erlangen, sondern ihre Interessen gezielt als Einstieg nutzt. Minecraft, Mario Kart und Co. sind keine Zeitfresser, sondern können kreative Werkzeuge zur politischen Bildung sein
Denise und Nils sehen noch viel Potenzial: „Gerade im Bereich Gamification suchen viele noch nach guten Beispielen – wir wollen unsere Erfahrungen teilen.“
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Beitragsbild: Aida Kadrispahic