Reise ins Ungewisse
von Sophie LeubnerDer taubengraue Autohimmel von Timons WG-Opel Astra Kombi hat sich vom Dach gelöst und hängt uns auf die Stirn, während wir von Berlin Neukölln Richtung Kloster Lehnin über die A100 heizen. Die einstündige Autostrecke schlug die doppelte Öffi-Fahrzeit und unser Klimabewusstsein gleich mit; das kann er eben oft auch bedeuten… der Medien-Workshop in Brandenburg. Unsere heutige Mission: Medienbox-Methoden präsentieren. Bei Ankunft ist taubengrauer-Autohimmel-Kontrastprogramm, der Himmel in Lehnin erstrahlt in sattem Azur und der großzügig verglaste Tagungsraum bietet einen spektakulären Blick auf den Klostersee, anliegende Paddelboote und eine Feuerschale – gar keinen Bock mehr, jetzt in den Computer zu gucken.
Das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg hat dem Landesfachverband Medienbildung Brandenburg e.V. (LMB) Ende letzten Jahres zwei Förderbescheide in Höhe von insgesamt 90.000 Euro übergeben. Der Plan: neue Medientechnik besorgen, um diese zu verleihen und so die Umsetzung zeitgemäßer medienpädagogischer Projekte in ländlichen Räumen Brandenburgs unterstützen zu können. Gesagt, getan – entstanden sind fünf mobile Boxen, voll mit Technik zu den Schwerpunkten Film & Video, Podcast, Präsentation, VR/AR und e-sports. Ihr Debüt spielen die Boxen also heute zwischen den neugierigen Fingern der Alumnis der medienpädagogischen Zusatzausbildung des LMB – so zumindest kleinster gemeinsamer Nenner des bunten Haufens, der eigentlich vieles mehr ist. Die Runde stellt sich vor: Grundschul-Bibliothekar*in, offene*r Jugendarbeiter*in, Werkstudent*in oder (fast) pensionierte*r Einrichtungsleiter*in. Sie kommen aus Fürstenwalde, Senftenberg oder Ludwigsfelde – mit besten Grüßen aus der Stadt an der Autobahn. Durch den schwarzen Humornebel lässt sich erahnen, wo der Schuh drückt: Thema Mobilität ist ein Problem, die öffentlichen Verkehrswege in Brandenburg sind lang, für die Pädagog*innen aber natürlich auch für die Kinder und Jugendlichen. Ebenfalls vielfach beklagt an diesem Nachmittag: ausreichend Personal für die Entwicklung und Umsetzung zeitgemäßer, medienpädagogischer Projekte fehlt im Berliner Umland schlichtweg und wird händeringend gesucht.
Die Boxen kommen gut an, die Alumnis sind dankbar aber geben auch zu bedenken – ohne ausreichend Pädagog*innen und die richtigen Methoden geht das Innovationspotenzial der Boxen und mit ihnen das der ländlichen Jugend flöten. Klimax des Workshops bleibt ein Brandenburg’scher Running-Gag: mit der AR-Methode wird es nichts – das Internet ist zu schlecht. Die Rückfahrt bringt: erstens – Bio-Zartbitterschokoladen-Maiswaffelessen und zweitens – Gespräch und Erkenntnis über Partizipation, Gangbarkeit und darüber, wie mulmig es es sich anfühlen kann, mit medienpädagogischen Projekten eben kein konkretes Ziel zu setzen, sondern einfach zu schauen, wohin die Reise geht.