Politische Bildung im Kiez, Ausstellung & Fachtag
von Sophie LeubnerWir sitzen im Aquarium, einem Veranstaltungsort in Berlin Kreuzberg, es ist 19 Uhr, unser Fachtag liegt hinter uns, die letzten Gäste sind seit einigen Minuten weg. Wir- das Team kiez:story- haben den Fachtag und die dazugehörige Ausstellung wochenlang geplant. Entstanden ist ein Fachtag zu Themen, die uns im Jahr 2023 besonders beschäftigt haben: rassististische Diskussionen im Zuge der Debatten um Silvester und Freibäder, selbstbestimmte Erzählungen rund im Migrationsgeschichten, sowie biografische- und kiezbezogene historische politische Medienbildung.
Der Tag beginnt für uns morgens um acht Uhr. Wir treffen letzte Vorbereitungen, weisen unsere jugendlichen Expert*innen ein, kochen Kaffee. Um kurz nach zehn Uhr geht es dann los. Der Fachtag beginnt mit einem Panel zu Neuköllner Diskursen in der politischen Bildung. Diskutiert werden Kontinuitäten in altbekannten Diskursen und Rassismusreproduktion in der Bildungsarbeit. Es folgt die Präsentation der Ergebnisse der Fotoserien aus unserem Workshop mit TheCorner, einer außerschulischen Jugendeinrichtung in der High-Deck-Siedlung. Die Jugendlichen zeigen uns Fotos und ihre Entstehungsgeschichte und berichten von ihrem Alltag.
Nach der Mittagspause folgte ein Comedy-Stand-Up von Idil Baydars Kunstfigur Jilet Ayse, das auf typisch provokante Manier auf gesellschaftliche Missstände hinweist- dafür erntet sie viel Applaus, gerade bei den Jugendlichen im Publikum.
Neben den Fotos, die im Projekt entstanden sind, sind auch die Ergebnisse der Videoserien zu sehen. In einem Interview berichten uns zwei Teilnehmende von ihren Erfahrungen mit kiez:story. Das letzte Panel beschäftigt sich mit historischer und biografischer Bildung in Kreuzberg 36, den Aufhänger bilden Ausschnitte aus dem Dokumentarfilm „Liebe, D-Mark und Tod“ von Cem Kaya und die persönlichen Bezüge der Referent*innen, die allesamt im Kiez verwurzelt sind. Im Anschluss werden die kiez:cafés eröffnet. Zum einen besteht die Möglichkeit das virtual:kiez durch VR-Brillen auszuprobieren, unsere Handreichung, die wir in diesem Jahr überarbeitet haben, wird diskutiert und die Fotoergebnisse aus der High-Deck-Siedlung mit TheCorner, die Bilder der kiez:tour mit der Naunynritze, die Bilder von Daniil aus Russland und die Bilder aus einem Workshop mit EOTO sind ausgestellt. Den Abschluss machen Ceren und Derya Yildirim mit einem musikalischen Ausklang.
Wir glauben, dass Jugendliche ein Recht auf empowermentorientierte, rassismuskritische politische Bildung haben. Die Methoden sind bereits erprobt und funktionieren, jedoch fehlen oft politische und kreative Bildungsangebote, sowie zeitliche und monetäre Ressourcen. Ebenso müssen Jugendlichen Freiräume geboten werden, in denen sie sich mit Themen, die sie beschäftigen, auseinandersetzen können und schließlich als Expert*innen zu diesen Themen verstanden werden können. Dies ermöglicht ihnen neue Perspektiven. Die Frage der Perspektive ist von besonderer Wichtigkeit: wessen Perspektive wird gehört? Welche Perspektiven werden verbreitet? Und wie werden bestimmte Bilder konstituiert: sind es Selbst- oder Fremdbilder? Deutlich wird: die Integrationsdiskurse dieses Jahres haben keine Probleme gelöst- sie erschweren die Arbeit sogar.
Doch trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen, kann von Resignation keine Rede sein. Einige pädagogische Fachkräfte treten auf uns zu und bedanken sich für die Inspiration, die sie in die eigene Arbeit mitnehmen möchten. Auch die Jugendlichen gehen gestärkt aus dem Tag: vielleicht zum ersten Mal wurde ihnen von einem erwachsenen Publikum Gehör geschenkt. Und das allein, fühlt sich bereits gut an!
Wer nicht dabei sein konnte, hat trotzdem die Möglichkeit einige Ergebnisse in unserem virtual:kiez betrachten zu können. Unter folgendem Link findet ihr die aktuellste Version des Mozilla Hubs: https://kiezstory.berlin/virtualkiez/
Unsere überarbeitete Handreichung findet ihr hier:
https://www.ufuq.de/wp-content/uploads/2022/11/231010_Kiez_Story_30_online-version.pdf