KI in unserem Arbeitsalltag: Was sie uns abnimmt – und was nicht.
von Serkan ÜnsalWie sich die KI-Anwendung Midjourney unseren Arbeitsalltag im Umgang mit KI vorstellt.
Künstliche Intelligenz (KI) verändert nicht nur, wie wir arbeiten, sondern auch, was wir dabei für unsere medienpädagogische Arbeit lernen. Sie hilft uns bei Routinetätigkeiten – und stellt uns gleichzeitig vor ganz neue Fragen. Wie kann KI sinnvoll eingesetzt werden? Was bedeutet sie für unsere Rolle als Medienbildner*innen? In unserem Team verstehen wir KI nicht nur als praktisches Tool, sondern auch als Thema für kontinuierliche Reflexion. In diesem Beitrag werfen wir einen kritischen Blick darauf, wie KI unseren Arbeitsalltag erleichtert, wobei sie uns gar nicht helfen kann, und wie wir sie in unsere Bildungsangebote integrieren.
In unserem Arbeitsalltag hat KI mittlerweile fast unvermeidbar Einzug gehalten. Dass KI-Anwendungen in unseren operativen Prozessen und unserer pädagogischen Arbeit präsent sind, sehen wir als Indikator für einen umfassenden gesellschaftlichen Wandel. Wir sind überzeugt, dass technologische Entwicklungen im Informationszeitalter untrennbar mit sozialen Realitäten verknüpft sind. Deshalb verstehen wir KI nicht nur als Arbeitsmittel, sondern auch als gesellschaftliches Thema, das eine kontinuierliche kritische Auseinandersetzung erfordert – sowohl in unseren operativen Abläufen als auch in der pädagogischen Vermittlung. Im Zuge dieser Auseinandersetzungen kommen wir oft genug an Punkte, an denen sich die Notwendigkeit des kollegialen Austauschs und öffentlicher Debatten mit anderen Bildungsakteur*innen zeigt. In diesem Beitrag geben wir einen Einblick in die Potenziale und Grenzen, die wir im Umgang mit KI in unserer Arbeit erkennen.
Wie wir als Bildner*innen mit KI umgehen
In unserer politisch-bildnerischen Arbeit verfolgen wir einen kritisch-affirmativen Ansatz, der es uns ermöglicht, KI-Anwendungen und ihre Auswirkungen zu hinterfragen und zu verstehen, wie Menschen Medien nutzen, um am sozialen Leben teilzunehmen und gesellschaftliche Geschehnisse zu verarbeiten und zu verhandeln: Inwiefern ist Technik politisch? Wie viel Mensch steckt in Künstlichen Intelligenzen? Unter welchen Bedingungen „weiß“ die KI, was sie weiß? Fragestellungen wie diese erlauben es uns, neue Technologien nicht nur zu nutzen, sondern auch deren Einfluss auf Demokratie und Privatsphäre kritisch zu bewerten und zu vermitteln.
Für jüngere Lernende entwickeln wir Angebote, die durch interaktive, spielbasierte Ansätze und Storytelling komplexe Zusammenhänge zugänglich machen. Gerade weil KI enorme Möglichkeiten bietet, ist es wichtig, nicht nur ihre Potenziale, sondern auch ihre Grenzen zu verstehen. Wir möchten jungen Menschen die notwendigen Konzepte und Perspektiven an die Hand geben, damit sie in der Lage sind, diese Technologien selbstständig kritisch einzuordnen. Dies erfordert ein Verständnis ihrer Funktionsweisen, eine Auseinandersetzung mit ethischen Fragen sowie die Fähigkeit, die durch diese Technologien entstehenden Informationen und Daten zu bewerten.
Durch die Einbindung von generativen KI-Modellen wie ChatGPT in unsere Workshops entstehen interaktive Lernszenarien. In einem dieser Szenarien werden die Teilnehmer*innen dazu ermutigt, in einen Echtzeit-Dialog mit dem Tool über eine gesellschaftliche Frage zu treten. Dabei lernen sie die Plattform kennen, verstehen, was ein Prompt ist und warum die Formulierung über die Qualität der Antworten entscheidet. Gleichzeitig erkennen sie die Grenzen des Tools, etwa in Bezug auf die Genauigkeit und Tiefe der generierten Inhalte, und reflektieren, wie KI sinnvoll eingesetzt werden kann. Dies fördert aktives Lernen und unterstützt die Lernenden dabei, kritische politische Fragen zu formulieren. So werden beispielsweise durch Rollenspiele verschiedene Standpunkte in einer politischen Debatte simuliert, um Argumentationsfähigkeiten zu schärfen.
Ein weiteres Vermittlungsszenario ist die Auseinandersetzung mit den Ressourcen, die hinter KI-Technologien stehen. Gezielte Impulse können die Teilnehmenden dazu anregen, über den hohen Energieverbrauch von generativen KI-Modellen und die damit verbundenen Umweltfolgen nachzudenken. Damit verknüpft werden ebenfalls menschliche Ressourcen zum Thema, so wie die oft unsichtbare Klickarbeit, bei der Menschen unter prekären Bedingungen, meist im globalen Süden, KI-Systeme trainieren oder problematische Inhalte filtern. Solche Diskussionen fördern einen Austausch darüber, wie diese globalen Ausbeutungsverhältnisse mit dem Einsatz von KI zusammenhängen und welche ethischen Fragestellungen daraus formuliert werden können.
Auch die Reflexion alltäglichen Mediennutzungsverhaltens bietet in pädagogischen Kontexten eine gute Grundlage für vertiefende Medienbildung. Lehrkräfte können die Nutzungsmuster auf Social Media als Ausgangspunkt nehmen, um mit Jugendlichen über die Auswirkungen dieser Tools auf Selbstwahrnehmung und Selbstwertgefühl zu sprechen. Dazu gehört auch die Diskussion darüber, wie Algorithmen Gesichtszüge erkennen und verändern (z.B. mit Filter-Funktionen), welche psychosozialen Effekte das hat und welche datenschutzrechtlichen Fragen bei der Nutzung solcher Apps beachtet werden sollten.
“Hi GPT, do our dishes”
Wir haben die leise Vermutung, dass wir organisationsübergreifend weitaus mehr aktive Software-Abonnements haben als die NGO von nebenan. Denn wir nutzen KI-Tools auf unterschiedliche Weise und begegnen Ihnen grundsätzlich mit einer offenen Haltung. Die Einbindung von KI-Technologien in unseren operativen und pädagogischen Alltag begreifen wir als ein Anzeichen für einen breiteren gesellschaftlichen Wandel, in dem wir digitale Tools nicht nur als Arbeitsinstrumente, sondern auch als Gegenstände kritischer Reflexion verstehen. Unsere Praxis folgt daher dem Grundsatz, dass Technologieakzeptanz und kritisches Medienwissen im beruflichen Alltag Hand in Hand gehen müssen, und dass es eine ständige Auseinandersetzung mit aktuellen technologischen Entwicklungen braucht. Nach dem Trial-und-Error-Prinzip finden wir heraus, welche Tools für uns funktionieren, und leiten daraus pädagogische Fragestellungen ab.
KI-Tools sind für manche konkrete Arbeitsprozesse äußerst hilfreich. ChatGPT unterstützt uns bei der Erstellung textbasierter Inhalte, während Castmagic bei der Verarbeitung von Audiodateien zum Einsatz kommt. Dadurch sparen wir bei einigen Aufgaben Zeit, etwa bei der Strukturierung von Brainstormings und dem Rationalisieren von Abläufen. Ein Beispiel ist die Nutzung von Castmagic, um Audioaufnahmen von Meetings oder Veranstaltungen in saubere Transkripte umzuwandeln, die dann ausgewertet und weiterverarbeitet werden können. Dieses Tool hilft uns, Protokolle effektiver und zeitsparender zu erstellen und den Wissenstransfer innerhalb des Teams zu verbessern. ChatGPT nutzen wir beispielsweise, um Rohdaten in erste Fassungen von Projektberichten zu verwandeln oder standardisierte Texte zu erstellen, die immer einer gewissen Form folgen.
Die Diskrepanzen zwischen den Erwartungen an KI und ihrer tatsächlichen Nützlichkeit beschreibt die Schriftstellerin Joanna Maciejewska ziemlich treffend:
Das Zitat zeigt, dass KI-Tools zwar bei Routineaufgaben und der Strukturierung von Inhalten hilfreich sind, jedoch nicht in der Lage sind, kreative Prozesse und innovative Ideen zu ersetzen. Während Castmagic zum Beispiel hervorragend dafür geeignet ist, Audiodaten zu transkribieren und darin enthaltene Inhalte zusammenzufassen und zu restrukturieren, besitzt es keine Fähigkeiten zur Erkennung von Nuancen und der Entwicklung komplexer, neuer Ideen.
Wir sehen, KI kann der menschlichen Intelligenz bisher nur begrenzt etwas entgegenhalten; die Angstszenarien über KIs, die die Weltherrschaft an sich reißen, sind also (noch) reine Zukunftsmusik.