Barcamps als Methode in der Jugendarbeit
von Daniel SeitzIm folgenden sollen Barcamps als Methode in der Jugendarbeit ausgewertet werden, insbesondere am Beispiel des Gamescamp. Mehr zum Gamescamp gibt es hier, einführende Worte zu Barcamps an sich von Lars Gräßer auf mekonet.
Das Gamescamp hat, nach meinen Erfahrungen mit Geocachingcamps, wieder einmal hervorragend gezeigt, wie gut Barcamps, Partizipation und Jugendarbeit zueinander passen. Insofern die äusserst positive Auswertung schon vorab.
Dennoch gibt es meiner Meinung nach einige Faktoren, die zum Erfolg eines Barcamps für Jugendliche beitragen:
Werbung
- Noch sind Barcamps bei weitem nicht bekannt, insbesondere nicht bei Jugendlichen. Von knapp 50 Teilnehmern waren zwei schon auf Barcamps, allen anderen war das Wort unbekannt. Ein häufiges Feedback war, noch ausführlicher zu erklären, was Barcamps sind – dann wäre die Entscheidung noch schneller/deutlicher ausgefallen, bzw. hätten wir vermutlich auch nochmals mehr Anmeldungen gehabt.
- Wichtig war für die Teilnehmer eine kostenlose Teilnahme, was ja bei Barcamps üblich ist. Beim Gamescamp sind wir noch einen Schritt weiter gegangen und konnten dank Förderung durch die Bundeszentrale für politische Bildung und das Land NRW auch Fahrtkosten und Übernachtung übernehmen. Mehr als die Hälfte der Jugendlichen gaben an, dass sie ohne diese Kostenübernahmen nicht gekommen wären.
- Als hilfreich hat sich eine gemeinsame Plattform heraus gestellt, hinter gamescamp.info verbirgt sich „Buddypress“, eine Erweiterung für das bekannte Weblog-CMS WordPress. Darüber war es möglich, das sich Jeder im Vorfeld registrieren konnte und über ein Forum zum einen organisatorische Fragen stellen konnte, aber vor allem auch eigene Session-Vorschläge einbringen oder sich Themen wünschen konnte. Dies wurde z.T. auch sehr rege genutzt.
Organisation
- Eine zentrale Ansprechperson war für die Jugendlichen – sehr viele haben sich als Einzelpersonen bzw. mit ein/zwei Freunden selbst angemeldet – sehr wichtig. Hier muss deutlich mehr geleistet werden, als bei „normalen“ Barcamps üblich. Informationen ins Netz, der Rest läuft selbst organisiert, funktioniert hier nicht. Der Aufwand an dieser Stelle sollte nicht unterschätzt werden, viele individuelle organisatorische Fragen gilt es zu beantworten.
- Ein zentraler Ort, der Übernachtung und Seminarräume vereinbart war hilfreich, um schnell eine sehr intensive Gruppenstimmung, die sowohl arbeitsintensiv aber auch herzlich war, herzustellen. Das es Hagen war und vor der Tür nicht die vielen (Freizeit-)Möglichkeiten einer Großstadt gelockt haben, hatte sicher auch nicht geschadet, alle Teilnehmer über die gesamte Zeit an einem Ort zu halten ;-)
Barcamp
- Im Vorfeld sollten die Organisatoren sich um eine klare Struktur, was die Zeiten und Räume angeht, bemühen. Je klarer dies kommuniziert wird, desto leichter fällt es den Jugendlichen dann, die Freiräume, die ein Barcamp bietet, zu nutzen
- Zur Ankunft gab es nur eine kurze Begrüßung, Überblick über das Wochenende sowie die Erklärung, was ein Barcamp ist. Jeder wurde nochmals aufgefordert, sich Sessions für den nächsten Tag zu überlegen.
- Namensschilder in Form von selbst gebastelten Buttons ließen gleichmal Individualität und Kreativität zu und führten vor allem dazu, dass sich alle Teilnehmer ansprechen konnten
- Im Anschluß fand eine LAN-Party statt. So waren wir sofort im Thema (ein Gamescamp wäre ohne Gaming nur schwer vorstellbar/begründbar), die Teilnehmer konnten langsam ankommen, sich kennen lernen, durch die Teams musste man sich nicht gleich mit einer Gruppe von 50 Menschen auseinandersetzen sondern war in 8er-Teams beschäftigt und lernte im Turnierverlauf eben auch alle anderen Teams kennen. Sofort stellte sich eine tolle Stimmung ein, die Teilnehmer wurden sehr schnell miteinander und auch mit uns warm, weil sich jeder auf „sicherem Gebiet“ bewegte und nicht gleich mit einer mutigen Aktion wie einem Session-Angebot auftauchen musste. Ich bin überzeugt, dass die LAN-Party der Schlüssel zum Erfolg des gesamten Gamescamps war und würde empfehlen, bei der Organisation eines Barcamps für Jugendliche einen ähnlichen Einstieg, nah am Thema mit größtmöglicher Bekannheit/Sicherheit bei den Teilnehmern und vollständig und klar strukturiert durch die Organisatoren, zu finden.
- Eine stringente Moderation, die zum Einstieg begrüßt und durch das gesamte Barcamp begleitet ist sehr hilfreich. Wir hatten meistens eine Zweiteilung in der Moderation, einer hielt den organisatorischen Rahmen, ein zweiter den „Barcamp-Teil“. Dies funktionierte gut, wenn der Moderator auch sehr barcamp-erfahren ist, wäre auch eine Personalunion denkbar.
- Die übliche Vorstellungsrunde mit Namen, Alter, ggf. Organisation sowie drei Schlagworten funktionierte auch hier super, so tauchen alle Teilnehmer wie Organisatoren gleichermaßen zum Start auf.
- Session-Planung: Die Session-Planung fand offline auf Moderationskärtchen und Flipchart statt. Die ist nach wie vor die beste Methode um schnell und effektiv durch die Sessionplanung zu kommen und auf Wünsche – z.B. bestimmte Sessions doch nicht parallel zu setzen – einzugehen.
- Als der Sessionplan stand, wurde er komplett in ein vorbereitetes google-Doc, einer Online-Tabelle, übertragen. Diese war durch mehrere Organisatoren beschreibbar und bei Kenntnis des Links für alle lesbar. Dort waren auch schon für jede mögliche Session (also zu allen 5 Sessionzeiten x allen Räumen), unabhängig ob sie später so genutzt werden, Etherpads angelegt. So konnte jede Session sofort mit einem gemeinsamen Dokumentationsort starten und mussten sich nicht kompliziert auf ein Pad einigen. Was sich bei anderen Barcamps selbst per Twitter und Hashtag regelt, ist bei einem Jugendbarcamp besser vorbereitet, zumal Twitter nach wie vor kaum Verbreitung bei Jugendlichen hat.
- Was sich beim Gamescamp als sehr gute Idee heraus stellte: Als Serviceangebot der Veranstalter organisierten wir im Vorfeld Experten aus den verschiedensten Bereichen rund um Games. Diese waren zum Barcamp mit anwesend und stellten sich mit in der Vorstellungsrunde vor, benannten sich als Joker für Thema X und Y. Wir erklärten den Teilnehmern, dass sie sich auch trauen können, Sessions anzubieten, die sie thematisch nicht vollständig abdecken können, dann aber Joker aufrufen, die dann mit in ihre Session kommen und unterstützen. Dies fand so klar nie statt, die Joker haben sich dann aber jeweils den Themen zugeordnet, wo sie jeweils am dringendsten gebraucht wurden. Auch sind vermutlich einige Themen nur entstanden, weil die entsprechenden Joker anwesend waren.
- Die Diskussion in der o.g. Community hatte auch den Vorteil, dass die Organisatoren nochmals überprüfen konnten, ob alle Themenfelder bearbeitbar/durch Experten abgedeckt waren und ggf. nochmals weitere Experten anfragen konnten.
- Am Samstag Abend, nach 5 Sessionslots, fand dann wieder ein organisiertes Angebot statt. Am vormittag war noch die Stimmung bei den TN, auch in den Abend hinein Sessions zu machen, was dann aber doch nicht stattgefunden hatte, vermutlich waren 5 Sessions für alle genug Input, Anregung und intensiver Diskussion. Das organisierte Angebot rund um den kreativen Einsatz von Games war als offenes Angebot konzipiert und so ganz unterschiedlich genutzt. Um einen Teilnehmer zu zitieren: „Wie schön gerade alle miteinander spielen – und die meisten nichtmal am Computer“. Weitere Anregung war also willkommen, eine offene Struktur, die es zuließ, auch einfach nichts zu tun bzw. locker auszutauschen, war genau das richtige dafür.
- Am Sonntag waren nochmal zwei Stunden Zeit, nach der Mittagspause gab es dann noch eine Auswertungsrunde. In der ersten Stunde wurden aus allen Sessions nochmals kurz in 2-3 Minuten Ergebnisse und Erkenntnisse präsentiert und mögliche Bedarfe zur Weiterarbeit skizziert. Dies war nochmals toll, um allen einen Einblick zu geben, wie breit, engagiert und vielfältig zum Thema gearbeitet wurde. Die vielen Themen, die noch hätten bearbeitet werden können, wurden dann in drei Themenschwerpunkte geclustert und in einer letzten Session mit dem Fokus, was wir jetzt aus all den Erkenntnissen machen können, bearbeitet. Interessant war, das sich die Teilnehmer jetzt/auch zum Schluß nicht mehr ein Thema überhelfen ließen – zwei Themenfelder waren sehr klar, für das dritte hätten sich einige Themen angeboten, ich griff (bewußt) eines auf, das nur von einem Organisator benannt wurde und gab die Möglichkeit, meine drei Themenvorschläge in Frage zu stellen. So wurde das dritte Thema abgewählt und gegen ein besseres/anderes getauscht. Spannend und gut!
- Die Auswertungsrunde fand „klassisch“ statt, eine offene, große Runde, durch uns moderiert, unstrukturiert.
Dokumentation/Tools
- Folgende Tools waren im Einsatz: WordPress/Buddypress als zentrale Informationsseite und für Diskussionen vorab; erst Mixxt-Community, dann FB-Gruppe für Organisations-Team, wobei sich FB-Gruppe wesentlich besser eignete bei 12 lose vernetzten, beteiligten Institutionen; FB-Page zum Fan werden, FB-Veranstaltung, beide mit mässiger Teilnehmer-Zahl im Vorfeld; während Veranstaltung dann neu gegründete (interne) FB-Gruppe für alle Teilnehmer/Organisatoren des Gamescamp 2011 – schon einen Tag nach der Veranstaltung waren dort _ alle_ Teilnehmer und Veranstalter vernetzt, zwei hatten sogar extra deswegen sich neu bei Facebook angemeldet (18 Jahre und älter, das stelle ich mit einem weinenden und einem lachenden Auge fest)
- Zur Dokumentation waren dann noch eine Google-Tabelle, die ohne Login lesbar war, um die Sessionstruktur abzubilden sowie Etherpad (wir entschieden uns für openetherpad.org) im Einsatz, um jeden Workshop zu dokumentieren
- Zu jedem Raum und somit jeder Session gab es einen Raumverantwortlichen aus dem Team der Organisatoren. Dieser war auch dafür zuständig, die Dokumentation zu gewährleisten, also die Teilnehmer anzuregen, selbst im Pad zu dokumentieren und ggf. eben auch selbst mitzuschreiben – was sich sehr bewährt hat, sonst wäre dieser Punkt wohl öfter auch mal vergessen worden
Ausblick/Erkenntnisse
ein paar lose Erkenntnisse über die o.g hinaus, die ich hier laufend ergänzen werde, unsortiert
- auf Organisatoren-Seite waren viele Personen im Einsatz, was auch nötig war, um den reibungslosen Ablauf, Dokumentation, Organisation etc. zu gewährleisten
- oder andersrum: Barcamps eignen sich hervorragend, um mit vielen Partnern gemeinsam ein Thema anzugehen
- das Barcamp für Jugendliche fühlte sich in Themenvielfalt, Selbst-Organisation (im laufenden Prozess), gemeinsamer Energie und Aktivität usw. nicht anders an als „Barcamps für Erwachsene“
- die klassisch eingesetzten Online-Tools sind häufig nicht bekannt bei Jugendlichen, werden dann aber sehr freudig und effektiv eingesetzt
Das ganze noch ergänzt um eine Organisationsübersicht von Christian Scholz, gibt einen guten Überblick/Einstieg zur Organisation von Barcamps.
(Fotos: Jürgen Sleegers/Spielraum)