22. Dez. 2025

2025: Zwischen Plattformen, Prävention und Praxis

von Sarah Christl

Workshops, Fortbildungen, neue Lernformate, Plattformstrategien – 2025 haben wir in eigenen Projekten Kinder und Jugendliche erreicht, Fachkräfte qualifiziert und andere Projekte begleitet. Unsere Arbeit war geprägt von der andauernden Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen Herausforderungen, hoher Nachfrage und dem Anspruch, demokratische Bildungsarbeit im medialen Raum verlässlich umzusetzen. Dabei wurde deutlich, dass es für gute Arbeit, Zeit, Ressourcen und gute Zusammenarbeit braucht.

Demokratie stärken und sichtbar werden

Ein zentraler Schwerpunkt unsere Arbeit liegt darauf, demokratische Akteur*innen sichtbar und handlungsfähig zu machen- insbesondere auf Social-Media-Plattformen wie TikTok und Instagram. Diese Plattformen werden von wenigen, extrem mächtigen Tech-Unternehmen dominiert und die Geschäftsmodelle basieren auf Aufmerksamkeit, Datenverarbeitung und intransparenten Algorithmen, die Vereinfachung und extreme Inhalte begünstigen.  

Wir sind überzeugt davon, dass demokratische Akteur*innen auf diesen Plattformen präsent sein müssen, um dort Räume zu öffnen, Gegenpositionen sichtbar zu machen und Diskurse aktiv mitzugestalten. Dadurch, dass die Plattformen aber auch immer schneller und politisch aufgeladen werden, wird die Arbeit von demokratischen Bildungsprojekte in ein Spannungsfeld gebracht. Denn es geht einerseits darum, demokratiefeindliche Strategien und Narrative sichtbar zu machen und zu entlarven, sie in diesem Zuge aber nicht noch weiter zu verbreiten. Die kritische Auseinandersetzung mit Plattformmechanismen erfordert also ein strategisches und reflektiertes Handeln. Und neben den kommerziellen Plattformen wollen wir auch die gemeinwohlorientierten Plattformen erschließen und für unsere Arbeit nutzen. 

Der Frage nach dem “Wie kann man das machen?” gehen wir in unterschiedlichen Austauschformaten, individuellen Beratungen und Workshops nach. 

In unserem Projekt TikTokSlam unterstützen wir im Rahmen von Workshops und Veranstaltungen Initiativen, Vereine und zivilgesellschaftliche Akteur*innen, Inhalte zu erstellen und Plattformlogiken besser zu verstehen. Als Highlight aus 2025 gilt für uns der Workshop auf der re:publica zu Vertikalvideoproduktion ohne das eigene Gesicht

Mit unserem neuen Projekt CiviLink können wir daran anknüpfen, indem wir andere Projekte in ganz Deutschland bei ihrer Social Media Strategie, deren Umsetzung sowie Formatentwicklung unterstützen. Für diese Arbeit nutzen wir unter anderem den Formatsprint, der im Rahmen unseres Projektes ULAT entstanden ist.

Auch 2026 wollen wir gemeinsam daran arbeiten, die Demokratie medial weiter zu stärken und sichtbar zu machen. 

TikTok Slam wird dabei den Fokus der Workshops und Formate auf die Berlin-Wahlen legen. Mit CiviLink geht die Beratung ausgewählter Projekte weiter. Dazu werden wir deutschlandweit Vor-Ort Beratungen durchführen. Zusätzlich werden weitere LinkUps (Online Austauschformate) stattfinden. Das nächste LinkUp wird es schon am 29.01. geben: Content erstellen (auf Insta) leicht gemacht. Außerdem wird eine Lernplattform mit Inhalten rund um Social Media- von Trends zu Algorithmus bis zu Content-Creation- veröffentlicht. 

Mit wefightfirewithfire und einem Format zu AntiAntifeminismus bringen wir zwei TikTok Kanäle an den Start. Dabei sollen extrem rechte und antifeministische Strategien auf TikTok analysiert und eingeordnet werden. 

Präventionsarbeit unter verschärften Bedingungen

Ein weiterer Schwerpunkt unserer Arbeit liegt auf der Prävention von (Online-)Radikalisierung, Desinformation und demokratiefeindlichen Haltungen. Jugendliche wachsen in einer Lebensrealität auf, in der digitale und analoge Räume untrennbar miteinander verbunden sind. Im “Onlife” Leben entstehen politische Meinungen, Zugehörigkeitsgefühl und Weltbilder. Die Studie “How to sell democracy online (fast)”  zeigt, dass rund 61% der jungen Menschen ( 16- 27-jährige) ihre Nachrichten über die sozialen Medien konsumieren. Zusätzlich bringt die Befragung hervor, dass politische Influencer*innen deutlich mehr Vertrauen und Reichweite bei jungen Menschen haben als offizielle Partei- und Poliker*innen Accounts. Der digitale Raum bietet dadurch zwar eine große Vielfalt, gleichzeitig ist es ein Raum, in dem Desinformation, menschenfeindliche Narrative und radikalisierte Inhalte besonders schnell zirkulieren. Die Wurzeln dieser Radikalisierung sind aber häufig im Sozialraum –  in Ausgrenzung, fehlender Zugehörigkeit, Frustration oder mangelnder Perspektive. Die digitalen Räume sorgen dann noch als Beschleuniger und Verstärker. Präventionsarbeit bedeutet für uns nicht nur Wissensvermittlung, sondern auch das Stärken von Medien-, Informations- und Urteilskompetenz.

Und genau da setzen die Workshops unseres Projektes AntiAnti für Schulen in Berlin und Brandenburg an. 2025 hat gezeigt, dass es besonders in Berlin einen hohen Bedarf an Präventionsarbeit von (Online-)Radikalisierung gibt, der  aufgrund von Personalressourcen aber nicht gedeckt werden kann. Neben der hohen Nachfrage vermehren sich in den Workshops die herausfordernden Situationen: rechte Codes, menschenverachtende Symbole oder das gezielte Testen von Grenzen waren keine Einzelfälle mehr. Hier sind wir ausführlicher auf die Herausforderungen und Handlungsmöglichkeiten  eingegangen. Daher rücken die Fortbildungen für pädagogische Fachkräfte stärker in den Fokus, um auch mit belastenden Situationen nachhaltig umgehen zu können. 

Für das neue Jahr sind erneut zahlreiche Workshops und Fortbildungen in Berlin und Brandenburg geplant. Der ganzheitliche Ansatz der Angebote soll vertieft werden. Das heißt an Schulen gleichzeitig Workshops für Schüler*innen und Fortbildungen für pädagogische Lehrkräfte anbieten, um so einen möglichst großen Effekt zu erzielen. Zusätzlich wird es Fachtage und Weiterbildungen von pädagogischen Multiplikator*innen geben.

Medienkompetenz, Technik und sichere Lernräume

Die Stärkung von Medienkompetenz und die Schaffung sicherer Lernräume spielt eine zentrale Rolle in unserer Arbeit. In unseren Projekten Jugend hackt 2 Go, Bound to act! und dem Medienkompetenzzentrum Lichtenberg wurden Technik- AGs, offene Medienangebote und geschlechterreflektierte Workshops konzipiert und umgesetzt. Die Schwerpunkte liegen auf Coding, Making, Gaming, KI, Virtual Reality, kreativer Medienarbeit und kritischer Medienbildung.

Bei den Angeboten geht es darum, Inhalte, Akteure und Plattformstrukturen verständlich zu machen, aber auch eigene Positionen im System zu reflektieren und eine demokratische Haltung zu entwickeln. Und das gelingt nur in Räumen, die Schutz, Zeit und Vertrauen bieten. Neben technischen Fähigkeiten geht es darum, Selbstwirksamkeit erlebbar zu machen. Die positiven Rückmeldungen zu cis-jungsfreie Settings, verlässlichen Strukturen und der Möglichkeit, auf Augenhöhe begleitet zu werden haben gezeigt, wie wichtig solche Schutz- und Experimentierräume für nachhaltige Bildungsprozesse sind. Welche Effekte solche Schutzräume konkret bieten können, könnt ihr hier nachlesen. 

In diesen praktisch fokussierten Projekten sind offene Bildungsmaterialien (OERs) entstanden, die im kommenden Jahr veröffentlicht werden. Zum einen wird Jugend hackt 2 Go 12 OERs und eine Handreichung zu den Gelingensbedingungen von geschlechterreflektierter Technik- und Medienbildung veröffentlichen. Zum anderen wird der entwickelte Actionbound zur Prävention von Antisemitismus mit lokalem Bezug zum Bezirk Lichtenberg frei zugänglich gemacht. Ergänzend gibt es dazu eine Fortbildung am 30. Januar.

Räume, Beteiligung und langfristige Strukturen

Mit unserem Medienkompetenzzentrum haben wir dieses Jahr einen Beteiligungs- und Bildungsort weiter ausgebaut und weiterentwickelt. Denn digitale Bildung entfaltet nur dann nachhaltig Wirkung, wenn sie verlässlich, zugänglich und partizipativ ist. Diesen Ansatz setzen wir mit täglichen Angeboten und der Festigung eines Mekorats um. Dadurch können wir die Beteiligung und Selbstwirksamkeit der Kinder und Jugendlichen stärken. So haben wir in enger Zusammenarbeit mit der Zielgruppe einen festen Angebotsplan erarbeitet und der Mekorat hat über die weitere Ausstattung und Gestaltung des Mekos zu einem schönen Ort der Begegnung, des Ausprobierens und des Lernens entschieden. Das durchgeführte Projekt data:viz:lab  hat außerdem dazu beigetragen die Beteiligung nachhaltig zu etablieren.

Die Arbeit im Medienkompetenzzentrum zeigt, wie Jugendliche durch ihr Engagement wieder Interesse und Perspektiven für sich finden und wieder mit Motivation zur Schule gehen, um dann ihren Berufswünschen nachgehen zu können. 

Neben den täglichen Angeboten, vertiefen wir Fachveranstaltungen, Fortbildungen und die Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Trägern und Verwaltungen. Unser Ziel dabei ist es, digitale Bildung nicht nur punktuell, sondern strukturell zu verankern. 

Bei vielen Ideen ist es als kleines Team im Meko immer wieder herausfordernd, auf die wachsende Nachfrage und unterschiedlichen Bedarfe ausreichend einzugehen. Daher möchten wir mit Blick auf das neue Jahr verstärkt den Abbau von Barrieren sowohl räumlich als auch in der Ansprache fokussieren. 

Es sind zudem weitere Fortbildungsangebote, ein weiterer Fachtag Medien, zusätzliche Ausstattung für kreative Werkstätten sowie explizite FLINTA*/MINTA*-Angebote geplant. Zudem beteiligen wir uns an Formaten der politischen Bildung im Kontext der U16-Wahlen in Berlin.

Fazit

Über alle Projekte hinweg zeigt sich: Demokratische Medienbildung ist wichtiger denn je- und gleichzeitig komplexer geworden. Plattformen verändern sich in Höchstgeschwindigkeit, gesellschaftliche Konflikte werden sichtbarer und die Anforderungen an pädagogische Arbeit steigen. Die politischen Debatten zum Abbau der Sozialstruktur sorgen zusätzlich für Unsicherheit und Unplanbarkeit. 

Dass dennoch so viel umgesetzt werden konnte, ist dem Engagement vieler Projektteams, freier Mitarbeiter*innen und Kooperationspartner*innen zu verdanken.

Mit neuen Formaten und einem klaren Blick auf 2026 setzen wir unsere Arbeit fort – kritisch, solidarisch und nah an den Bedarfen der Menschen, mit denen wir arbeiten.

Wir freuen uns immer über Austausch, also schreibt gerne eine Mail an oder folgt uns über Mastodon, Bluesky, Instagram, Linkedin

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